Teil 2: Reizlehre und Anpassungsfähigkeit
Im 1. Teil des Artikels habe ich über Bedeutung der körperlichen Bewegung in der Physiologie der Humorallehre sowie über Diätetik bei unterschiedlichen Konstitutionen geschrieben. Im 2. Teil geht es nun um Reizlehre und Anpassungsfähigkeit.
Reizlehre
Der Organismus ist zu jedem Zeitpunkt einer Flut von Einflüssen bzw. Reizen ausgesetzt, die von exogen einwirken und auch endogen entstehen. Reize können chemischer, physikalischer und energetischer Natur sein und sowie die physische als auch die seelische und geistige Ebene beeinflussen.
„Leben ist die ständige Anpassung innerer Beziehungen an äußere Bedingungen“ (Herbert Spencer): Die Fähigkeit eines Lebewesens, auf Reize zu reagieren, um sich entweder zu adaptieren oder die Reize neutralisieren zu können, ist existentiell notwendig. Ein Mensch ist so lange gesund, wie er sich auf allen Ebenen symptomfrei den wechselnden Bedingungen seiner Umwelt anpassen kann. Ist die individuelle Anpassungsfähigkeit durch die Reizsituation überfordert, entstehen krankhafte Symptome verschieden Schweregrades.
Reize sind keineswegs nur pathogen, sondern haben unverzichtbare physiologische Bedeutung. Zell- und Gewebsfunktionen müssen z. B. durch Reize in Gang gehalten und reguliert werden.
Anpassungsfähigkeit
Sind die Fähigkeiten eines Menschen, sich an wechselnde Reizsituationen anzupassen, gut und stabil ausgeprägt, gilt er als konstitutionell stabil, man spricht dann von ´großer Anpassungsbreite´. Eine wichtige Aufgabe der Naturheilkunde und speziell der Konstitutionstherapie besteht darin, die Grenzen der Anpassungsfähigkeit und damit die Ressourcen eines Patienten zu erweitern.
Genauso geht es bei körperlicher Bewegung bzw. bei (leistungsorientiertem) sportlichem Training um die Fähigkeit zu Adaptation: Trainingsreize zwingen den Körper zur Reaktion auf die Anforderung – Änderungen passieren in der Mechanik (Muskelwachstum, Stärkung von Bänder, Sehnen, Knochen,…), im Stoffwechsel (Vergrößerung von Energiespeicher, effizienterer Energiefluss,…) und auch mental (mentale Bereitschaft zum Erbringen von hohen Leistungen,…).
Das Prinzip der Superkompensation besagt, dass der Körper nach einer Trainingsbelastung nicht nur die Bereitschaft zur Erbringung des gleichen Leistungsniveaus wiederherstellt, sondern im Verlauf der Erholung (Regeneration) die Leistungsfähigkeit über das ursprüngliche Niveau hinaus steigert und über einen bestimmten Zeitraum auf diesem Niveau hält.
Dieses Prinzip ist natürlich stark vereinfachend, jedoch umso leichter verständlich. Nicht nur die klassische sportliche Trainingslehre wird hierdurch erklärbar, jede Reizsetzung im Rahmen von Therapien zielt darauf ab: therapeutischer Reiz – Reaktion des Organismus oftmals mit Symptomen (Entzündung!) – Anpassung mit höherer Funktionsfähigkeit, Gewebsheilung u. a.
Die Prinzipien von sportlichem Training und therapeutischen Reizsetzungen sind somit gar nicht so unähnlich!