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Unter dem Mistelzweig

Immergrüne Pflanzen spielen in unseren Ritualen als Symbolik für das Licht und die Wiederkehr der Sonne eine große Rolle – vor allem in der Weihnachtszeit. Tannenbaum, Stechpalme, Efeu und die Mistel zählen zu diesen Pflanzen.

Die Mistel war bei den Kelten ein Symbol des Friedens, die mit Obacht und Vorsicht geerntet wurde. Nicht nur in der keltischen Mythologie werden über die Mistel faszinierende Geschichten erzählt. Bei den Römern und Griechen galt sie als heilige Zauberpflanze und als Symbol für Glück, Mut, Gesundheit und Fruchtbarkeit.

Die Mistel ist eine strauchartige Pflanze, die schwebend über dem Erdboden auf Bäumen wächst. Bei ihr ist botanisch vieles anders. Vielleicht war sie auch deshalb bei den Druiden der Kelten die Heiligste aller Pflanzen und fand ihren Weg rasch in die Traditionelle Medizin. Die Mistel wird seit mindestens 2500 Jahren arzneilich genutzt. Von Hippokrates, Dioskorides, Paracelsus und Tabernaemontanus bis in die heutige Zeit wurde und wird die Mistel zu therapeutischen Zwecken verwendet.

Der Name Mistel (Viscum album) stammt vermutlich von dem germanischen Wort „mitsa“, „Dünger, Exkremente“. Die Bezeichnung „viscum“ stammt aus dem Lateinischen von „klebrig“, wie die Früchte. Sie vermehrt sich fast ausschließlich über den Kot der Vögel, die zuvor die Beeren verzehrt haben. Dieses Gewächs kommt auf fast allen Laubbäumen vor. Dabei gelten Apfel und Pappel als besonders mistelhold; seltener ist es auf dem Weißdorn zu finden, nicht etwa auf der Rot-Buche oder auf Walnussbäumen. Je nach Wirtsbaum werden Viscum album mehrere Unterarten zugeordnet; solche die auf Laubbäumen wachsen sowie solche die auf Nadelgehölzen zu finden sind. Die Eichenmistel (Loranthus europaeus) wird zu einer anderen Art gezählt; sie wächst zumeist auf Eichen und Edelkastanien und fruchtet anders als die weißbeerige Mistel im Spätsommer.

Die Mistel ist etwas Besonderes! Sie weist eine antizyklische Vegetation auf und richtet sich gegen den Jahreslauf. Sie blüht im Winter und bildet etwa 9 Monate später Früchte – kein Wunder, dass die Menschen Vergleiche mit sich selbst zogen und sie aus diesem Grund als fruchtbarkeitsfördernde Pflanze nutzten. Darüber hinaus wächst sie anders als die meisten Pflanzen nicht nach oben, orientiert sich nicht nach der Schwerkraft. Sondern Sie breitet sich nach allen Seiten aus, im Zweifel auch nach unten. Obwohl die Mistel Früchte bildet, die uns wie Beeren erscheinen, handelt es sich dabei um keine Früchte in botanischem Sinne. In den Scheinfrüchten ist der Embryo direkt ohne Schutz durch eine Samenschale in einer schleimig-klebrigen Masse eingebettet. Diese zeigen keinerlei Signalfarbe, obwohl sie auf die Verbreitung durch Vögel ausgelegt sind. Weiters haben sie keine Wurzel, sondern ein sogenanntes Haustorium, einem Organ zur Nährstoffaufnahme. Die Blätter sind, anders als bei Laubblättern üblich, oben und unten identisch. Die Zweige sind gabelig verzweigt, wodurch die Pflanze kugelige Strukturen hervorbringt, bis zu einem Meter im Durchmesser, bei einem Alter von ca. 70-80 Jahren. Interessant ist auch, dass die Mistel auf Bäumen wächst, die der Mensch gepflanzt hat; im Wald ist die Mistel kaum zu finden. Von all den Eigenheiten ist abschließend noch anzumerken, dass die weißbeerige Mistel in Mitteleuropa ein Nischendasein führt. Alle anderen etwa 100 Mistelarten kommen in tropischen und subtropischen Zonen vor.

Die Mistel wird gemeinhin als Halbparasit beschrieben. Bedenkt man jedoch, dass ein Apfelbaum zwischen 50-70 Jahre und eine Mistel ca. 80 bis über 100 Jahre alt werden kann, so stellt sich die kritische Frage, ob hier nicht eher eine Symbiose mit Verlängerung des Lebens des Wirtsbaumes vorliegt. Kontroversiell zu betrachten ist auch die Giftigkeit der Pflanze, die für alle Pflanzenteile belegt wird. Am giftigsten gelten die Misteln von Ahorn, Linde, Walnuss, Pappel und Robinie. Am wenigsten giftig scheinen jene vom Apfelbaum zu sein. Von der Apfelmistel sind die Beeren mit einem süßlich schleimigen Aroma essbar, die Knospen sind knackig und wenig aromatisch. Früher galten Misteln als proteinreiche Futterergänzung für landwirtschaftliche Tiere.

Während die Mistel seit alters her als Schutzpflanze gegen Verfluchungen und Dämonen verwendet wurde, folgte im Mittelalter der Gebrauch gegen Anfallsleiden wie Epilepsie. Da sie als warm und feucht beschrieben wird, kommt sie nach der Traditionellen Medizin gegen trockene und kalte, also melancholische Zustände zum Einsatz, wie etwa bei Verhärtungen, oder bei Störungen von Leber und Milz.

Ihre Signaturen sind unterschiedlicher Natur. Als immergrüne Pflanze ist sie der Sonne zugeordnet, die männliche Pflanze hat sogar eine Tendenz zum Güldenen und Sonnenhaften. Dadurch gilt die Mistel als glückbringend, aber auch als Pflanze für das Herz und dessen Erkrankungen. Die weibliche Pflanze ist eher grünlich. Ihre kugelige Gestalt und auch die weißen Beeren weisen auf die Signatur des Mondes hin. Daraus resultiert die mögliche Anwendung bei Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, des Immun- und Lymphsystems sowie als Pflanze bei Störungen im Fortpflanzungssystem. Die Mistel erscheint als würde sie schweben – ein dem luftigen Merkur zugeordneter Aspekt. Neben all dem passt sich die Mistel dem Wirtsbaum an, eine ebenso merkuriale Eigenschaft: So prägt die Eiche die Mistel eher jovial, der Apfelbaum sie stärker venerisch und der Saturn wirkt in der Tanne. Von der merkurialen Eigenschaft lässt sich die Verwendung bei Epilepsie, Krampfanfällen und auch die Wirkung auf das Immunssystem beschreiben. Unabhängig vom Wirtsbaum hat die Mistel durch ihre abgrenzende Form ebenso wie durch ihr Alter noch Aspekte des Saturns; sie lassen Rückschlüsse auf ihre Anwendung im Alter und bei chronischen Erkrankungen zu. In der Mistel kommen somit die Kräfte von Mond, Sonne, Merkur und Saturn zum Ausdruck.

Eine weitere Signatur ist, dass in der Mistel ein höherer Säftedruck vorliegt als in der Wirtspflanze. Deshalb wird sie bei Bluthochdruck, Gefäßleiden und bei Kopfschmerzen sowie Schwindel als Zeichen von Stauungen im Kopflymphsystem oder bei Migräne gerne angewendet. Ihre vielen Eigenheiten, aber auch ihre kugelige Gestalt verweisen auf ihre Anwendung bei Knoten im Körper, wie sie bei Tumorgeschehen beobachtet wird. Relevant ist außerdem die Anwendung bei gutartigen Knoten wie Zysten, Myomen und bei Endometriose.

Die Inhaltsstoffe in der Mistel sind Proteine, zu denen einerseits Lektine zählen und andererseits die Viscotoxine. Weiters finden sich Flavonoide, Phenylpropane, Lignane, aber auch andere Inhaltsstoffe, deren Zusammensetzung stark durch den Wirtsbaum geprägt wird. Die Mistellektine aktivieren das zelluläre Immunsystem, dies bewirkt eine Zerstörung von Krebszellen. Bei Mamakarzinom-Patienten wird aufgrund der Freisetzung verschiedener Stoffe eine Stimmungsaufhellung und Verbesserung der Lebensqualität beschrieben. Außerdem wird die Apoptose, eine Form des programmierten Zelltods, angeregt, das Tumorwachstum wird gehemmt. Da die Proteine im Gastrointestinaltrakt zerstört werden, werden phytotherapeutische Mistelpräparate zur Krebstherapie gespritzt.

Arzneiliche Verwendung findet seit jeher das Kraut der Mistel. Anthroposophisch wird zunächst der Wirtsbaum unterschieden. Die Ernte erfolgt in den Wintermonaten zwischen November bis Februar. Eingeschworene Sammler brechen die Zweige einfach ab und legen sie in blaue Tücher oder Gefäße. Dadurch soll der Mistel, die seit Jahrtausenden schwebt, der Eindruck erhalten bleiben, niemals den Boden berührt zu haben. Bei Zubereitungen aus der Mistel – von Bier, über Frischsäfte bis zu Tinkturen oder Wein sowie Ölen und Salben – wird oft jede Erwärmung über 40°C vermieden. Die weißbeerige Mistel wächst in unseren kalten Breiten, Wärme obliegt ihr wenig. Die traditionellen Teebereitung-Rezepte empfehlen Kaltauszüge. Die Zubereitungen werden gerne mit anderen Arzneien gemischt: Mit dem Weißdorn und Gold etwa für das Herz oder mit dem Frauenmantel bei Frauenleiden.

Neben der Verwendung des Krautes ohne den Beeren und dessen Extrakten werden auch die Knospen arzneilich verwendet. Das Wirkprofil entspricht dabei im Großen und Ganzen den bereits genannten Indikationen. Als seelischer Aspekt ist jedoch eine Besonderheit zu nennen, die aus dem Wachstum der Pflanze abgeleitet werden kann. Die Mistel wächst gerne in und an Störfeldern, etwa unter Strommasten. Das Gemmomazerat ist folglich für Menschen gedacht, deren Mitte beeinträchtigt ist, wodurch sie psychisch wanken und dabei zu körperlicher Verhärtung neigen. Das Gemmomazerat bringt diesen Menschen die Ausgeglichenheit zwischen Sonne und Mond, gibt ihnen die Leichtigkeit zurück und hilft so den eigenen Wünschen treu zu bleiben.

Den meisten Menschen ist die Mistel als Zierzweig für die Zeit rund um Weihnachten bekannt oder als „böser“ Schmarotzer, der die Bäume entkräftet und schließlich zerstört. In heilkundlichen Kreisen bietet die Mistel heute ein breites Band an Indikationen und Anwendungsmöglichkeiten. Die Forschung liefert immerfort neue Erkenntnisse und auch die Erfahrungsheilkunde wird stetig in ihrem Wissen erweitert. Gewissermaßen wächst die Kunde um die Mistel in alle Richtungen, so wie die Pflanze selbst.

Rezept Mistelwein

  • 80-100 g frisches Kraut ohne Beeren oder
  • 40 g getrocknetes Kraut
  • 1 Liter süßer Bio-Wein

Die Mistel wird mit einem Keramikmesser klein geschnitten, anschließend in eine Weithalsflasche gefüllt und mit einem Liter Bio-Wein übergossenen. Die Mischung wird für 3-4 Tage stehen gelassen, danach ein Tuch filtriert und in eine dunkle Glasflasche gefüllt. Dieser Wein gehört zur Lagerung in den Kühlschrank. Als Kur werden täglich 3-4 Stamperl empfohlen.

Rezept Teemischung bei Arteriosklerose nach Kneipp

  • 20 g Mistelkraut
  • 20 g Schachtelhalmkraut
  • 20 g Hirtentäschelkraut
  • 15 g Löwenzahnwurzel mit Kraut
  • 15 g Kardobenetiktenkraut
  • 15 g Rautenkraut
  • 15 g Schafgarbenkraut

Die einzelnen Bestandteile werden vermischt. Eineinhalb Teelöffel der Mischung werden in 200 ml kaltem Wasser angesetzt und acht Stunden stehen gelassen. Der Auszug wird durch ein Sieb gegossen. Die Kräuter werden nun mit 200 ml heißem Wasser überbrüht und 10-15 Minuten ausgezogen. Die Kräuter werden abfiltriert und der Kaltauszug mit dem Heißauszug vermengt. Die 400 ml Tee werden über den Tag verteilt getrunken.

Text zur Verfügung gestellt von
Mag.a pharm. Dr. Gabriele Kerber-Baumgartner
www.apotheke-hofwiese.at