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Jetzt blüht der Himmelschlüssel-Wein!

Nach einer alpenländischen Sage ist diese Blume der Schlüssel zum Himmel auf Erden. Wolf-Dieter Storl erzählt, dass die Göttin Freya der Überlieferung nach mit ihr das Jahrestor aufschließt und den Lenz hereinlässt. Ein Grund mehr, sich nicht nur an ihrem Anblick zu erfreuen, sondern sie auch zu verkosten. Wer dazu auch ein wenig Geduld mitbringt, dem/der sei der Schlüsselblumen-Wein empfohlen.

Das Rezept hat mir der »Elch«, der Kaltenböck Hans, vor ein paar Jahren »vermacht«. Ich hatte mich im Dorfbeisl kaum zum Stammtisch gesetzt, da stellte er mir eine Flasche mit einem »Noagal« – also einem Restl – hin und fragte: »Wås glaubst wås des is?« Auf mein »Was soll des denn sein?«, meinte er: »Kost‘ halt amoi!«. Es stellte sich nämlich heraus, dass keiner von den anderen am Tisch kosten hatte wollen. Ich kannte und schätzte den Hans. Also habe ich gekostet. Unmittelbar davor entstand dieses Foto:

Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Kosten begleitet von fragenden und neugierigen Blicken der Anderen am Stammtisch stattfand. »Und?«, war die Frage. Ich war sehr angenehm überrascht. »Guad!«, sagte ich, »Wirklich guad!« – »Gell, då schaut‘s!«, meinte der »Elch« mit Triumpf in der Stimme zu den Anderen rundum: »Des is nix Schlecht’s!«

Zu mir gewandt meinte er dann: »Und? Wås is’s?« – »Keine Ahnung«, sagte ich, »aber es schmeckt wirklich net schlecht.« – »Va mir kriagst a nix Schlecht‘s.« sagte der »Elch«. Nach einer Weile und einigem Nachfragen rückte er dann doch damit heraus: »Ein Himmelschlüssel-Wein is’s! – Gell, då schaut‘s!«, meinte er noch in die Stammtisch-Runde. Und weil mir der Himmelschlüssel-Wein so gut schmeckte, deshalb hatte ich von da an umso mehr einen Stein im Brett beim »Elch«.

Wobei als »Elch« haben ihn alle gekannt. Alle haben von ihm als »Elch« geredet. Ihn selber durfte man aber nicht als »Elch« anreden. Das wollte er nicht hören. Im persönlichen Gespräch war er immer der Hans. Leider ist der Hans vor ein paar Jahren von uns gegangen.

Natürlich wird auch künftig das erste 8tel vom Himmelschlüssel-Wein auf das Wohl vom Hans getrunken.

Aber zuerst muss der Himmelschlüssel-Wein erst einmal gemacht werden. Dabei eins vorweg: Hier im Tal gibt es noch viele Stellen wo Schlüsselblumen in großer Menge vorkommen. Das ist leider nicht überall so. In vielen Gegenden ist die Schlüsselblume gefährdet und deshalb geschützt. Wir pflücken nur an Standorten, wo sehr viele Schlüsselblumen vorkommen, einige davon. Die Schlüsselblumen für den Wein kommen von 5 bis 7 verschiedenen Wiesen und Waldungen. Es wäre zu schade, wenn diese wunderschöne Frühlingsblume aufgrund menschlicher Gier verschwinden würde. Die Schlüsselblumen sind auch Nahrung für viele Insekten.

Für uns gilt deshalb beim Sammeln: Ist in der Blüte ein Käfer zu sehen, dann ist sie tabu. Wer möchte schon eine fremde Wohnstatt entführen.

Trotzdem kommen beim Sammeln unvermeidlich etliche Käfer mit. Wir lassen die Blüten deshalb vor der Verarbeitung am Gartentisch etwas »rasten«. So haben die Käfer eine Chance zu übersiedeln – und nutzen die auch gerne.

Rezept:

Die Zutaten sind:

  • 1 L Blüten der Himmelschlüssel
  • 1 L reines Quell- oder Leitungswasser
  • 1/2 Zitrone in Scheiben
  • 500 g Zucker
  • 1/4 Pkg. frische Hefe

Die Blüten kommen in ein großes durchsichtiges Glas. Wir nehmen meist eines mit Glasdeckel und Bajonettverschluss – aber ohne den Gummi. In das Glas geben wir auch die geschnittene Zitrone, den Zucker, die Hefe und das Wasser. Das alles wird mit einem hölzernen Kochlöffel gut vermischt. Danach wird das Glas in den kühlen Keller oder eine Speisekammer gestellt. Jeden Tag wird einmal ordentlich umgerührt.

Ursula stellt das Glas übrigens in einen Kübel. So kann auch nicht groß was passieren wenn das Glas übergehen sollte.

Ist die Woche um, dann wird der Inhalt des Glases durch ein Tuch abgeseiht und gut ausgepresst. Der so gewonnene Schlüsselblumen-Saft kommt in ein Gärfaß. Hier sorgt der Gärspund dafür, dass unerwünschte Luft draussen bleibt. Jetzt braucht es Geduld.

6 bis 8 Wochen sollte man der Gärung schon geben. Ist sie abgeschlossen, dann wird der Wein in kleine Flaschen gefüllt. Ideal sind Flaschen mit Bügelverschluss. Ist der Verschluss nämlich zu dicht, dann kann es die Flaschen zerreissen. Wichtig: Der Satz, der sich bei der Gärung am Boden bildet, darf natürlich nicht mit abgefüllt werden. Das ruiniert den guten Wein. Auch hier ist also weniger mehr – an Geschmack! Wohl bekomm‘s!

Der Hans Kaltenböck hat immer weniger mit dem Kopf und mehr nach Gespür gearbeitet. Gut so. Für alle, die es genau wollen: Ein detailiertes Rezept ist in dem sehr empfehlenswerten Band »Die Kräuter in meinem Garten« von Siegrid Hirsch & Felix Grünberger, erschienen im Freya Verlag, zu finden.

Wer lieber statt dem Wein einen alkoholfreien Himmelschlüssel-Sirup ansetzen möchte, findet das Rezept dazu in unserem Band »Das Geschenk der zwölf Monate – Märchen, Bräuche und Rezepte im Jahreskreis«. Da ist auch die alpenländische Sage »Vom Schlüssel zum Himmel« zu lesen.

Text und Foto zur Verfügung gestellt von
Helmut Wittmann
 www.maerchenerzaehler.at