BLOG
Die Frauendreissiger

Das Jahr hat mit dem Hochunserfrauentag am 15.August seinen Höhepunkt erreicht, die Pracht der Fruchtbarkeit ist auf allen Ebenen der Landschaft ersichtlich ausgereift und zum Helfen, bzw. Dienen bereit. Der Auftrag der Pflanze an die Menschheit, und damit auch an die Schöpfung, ergießt sich in der Kraft der Elemente. Sie strebt nach dieser Erfüllung, rundet sie ab und kann sich anschließend wieder in sich selbst zurückziehen. Dieser Tag wirkt mit seinen Kräften einen vollen Mondzyklus lang und durchdringt in diesen kosmisch-irdischen Kräften stark und direkt alles Lebendige.

Ab der Geburt Jesu bis ins 21. Jahrhundert, einer weltlichen Zeitrechnung von vielen, wurde der Hochunserfrauentag von der Katholischen Kirche zum Marientag erkoren und darauf konzentriert, den „heidnischen Kult-Bräuchen“ etwas mindestens genauso wirksames an Heilbringenden Wesen bei zu setzen. Schauen wir genauer hin, ist die Gottesmutter Maria in allen Frauenfiguren der Weltgeschichte präsent, repräsentiert doch die Mutter Erde die Mutter allen Lebens, Werdens und Sterbens. Und Wiedergeboren Werdens, genauso wie es unsere Pflanzen leben, uns vorleben und Heil sichern. Göttinnenverehrung und Fruchtbarkeitsriten gehören genau so dazu wie Rituale im Jahreskreis, um das Weiterbestehen der Menschen zu erlangen und sichern. Der Präventive Aspekt dieser Rituale wird oft nicht so achtsam bemüht, erzielt aber genau soviel Wirkung.

In den folgenden Wochen vom 15.August bis zum Tag der Kreuzerhöhung am 14.September werden alle Heilkräuter und Wurzeln, die im Mai (Marienmonat) nicht gesammelt wurden, oder noch nicht reif waren, aufgesucht. Daraus werden Kräuterbuschen gebunden, getrocknet und auf den Hausaltar gelegt. Wurzeln werden gesammelt, bevor sie sich wieder ganz ins Erdenbett zurückziehen, ihre Kräfte zurückgeben und für die kommende Generation hinterlassen.

Seit tausenden von Jahren wissen die Menschen um die Heilwirkung der Pflanzen, mit denen sie wohnen, die in abgelegenen Gebieten auf ihre Bestimmung warten, helfen wollen. In alten Zeiten sahen sie das Wesen der Pflanze, die Bedeutung und das Heil und verehrten sie deshalb in hohem Maße. Götter und Göttinnen wurden ihnen zugewiesen wie z.B. Arthemis, die Göttin der Wildnis, der alles Pflanzliche und niedere Getier unterstellt war. Die Menschen holten damit das Göttliche zu sich. Die Erscheinungen der Elemente, die Heilwirkung auf Beschwerden und Rettung vor Unwettern taten ein Übriges, um Pflanzen demütig zu verehren.

Die Kirche konzentrierte die Verehrung der Weiblichkeit, Fruchtbarkeit, des Schutzes, der Führsprache der Großen Mutter Erde von einst auf die Gottesmutter Maria im hellblauen, alles umhüllenden Mantel. So ist bis heute vielerorts der Brauch geblieben, die „Frauendreissiger“, die Zeit von Maria Himmelfahrt am 15.August zu zelebrieren. Kirchlich dauert sie bis zum Tag der Kreuzerhöhung Jesu am 14.September. In Festen und Feiern zu Ehren der Jungfrau Maria werden medizinale Kräuter gesammelt, getrocknet und geweiht.

Eine Überlegung tut sich automatisch auf. Diese Maria und den Heilkräutern am 15.8. beginnende, geweihte Zeit könnte rechnerisch aber auch am 12.September, dem Tag von Mariä Namen enden. Das ergibt 28 Tage und entspricht somit einem Mondmonat. In früheren Zeiten waren die Gezeiten des Mondes eng mit dem Frauenleben verwebt, entsprach dieser doch ihrem zyklischen Rhythmus zwischen Fruchtbarkeit und Reinigung. Dazwischen steht der 8. September (der kleine Frauentag, Mariä Geburt), dem eine weitere Sonderstellung eingeräumt wird. Mit der Zahl 8 für den Tag und 9 für den Monat und dem bestimmten Sonnenstand zusammengeschaut, dürfte dieser Tag genauso ein spezieller Krafttag geblieben sein. Daraus leitete man auch die Anzahl der zum Buschen gebundenen Sträuße: „Acht so gut wie neun lass vorm Altar benedein; soll dir an St. Marein großer Segen sein!“ Diesen Kräuterspruch binden die Frauen vielerorts nach wie vor in jedes Kräuterbüschel.

Heute darf ruhig in die eigene Intuition hineingespürt werden, da das Alte mit dem Neuen doch verbunden werden will. Wer nach altem Brauch die Königskerze in der Mitte des Buschens platzieren will, kann das tun. Mit Demut, mit Bescheidenheit, mit dem Bewusstsein, dass das Göttliche in uns allen interaktiv lebt, wirken kosmische wie irdische Kräfte auch ohne Sammelauflage früherer BotschafterInnen. Diesem Gespür nachzugehen rettet oftmals genauso eine prekäre Situation und lässt uns in wirklichen Kontakt mit den Pflanzen kommen. Die „Vorschriften“ dazu, wie man zu einem Kräuterbuschen gelangt, gehören eben in eine vormalige Epoche. Das macht den Weg frei für den Ruf zur Selbsterkenntnis. Lediglich die Kräuter selbst sind die wahren Helfer, wenn man sie denn studieren mag und mit der eigenen Intuition in Verbindung bringt. Dies kann eine starke Erfahrung hinterlassen.

Bis zum Tag des 23. September, dem Herbstäquinokt sind es dann 40 Tage, zu denen der gebundene Buschen getrocknet und einsatzfähig ist. Er gehört auf den Hausaltar oder in den Hergottswinkel. Er wird hervorgeholt, wann immer eine Seele des Hauses dadurch die Verstärkung eines Gebetes verspürt: sei es ein großer Dank für, sei es eine große Bitte um. In jedem Fall gilt das Stoßgebet, das die Schöpfungskraft erreicht.

Die Bräuche sind vielfältig: das Krankenzimmer ausräuchern, ungute Energien aus einem Raum entfernen, heilende Tee´s zubereiten, Tinkturen energetisieren, Pulver zur Wundheilung verreiben, in Salben integrieren, bei drohendem Gewitter oder Unwetter um Schutz vor Blitzschlag damit beten, oder/und ins Feuer legen. Gebete um Verstärkung jedweder Hilfe aussprechen, spezielle Mischungen für Rauhnächte mischen u.v.m.

Text und Bild zur Verfügung gestellt von
Judith Wieser
www.judithwieser.com