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Die Fauna in der Traditionellen Therapie

Die Pflanzenheilkunde nimmt in allen traditionellen Heilsystemen einen großen Bereich ein, denn viele Pflanzen sind leicht zu beschaffen und werden volksheilkundlich oder als Gewürz verwendet. Traditionelle Arzneimittel wie etwa spagyrisch bereitete werden überwiegend aus Pflanzen, Mineralien und Metallen gewonnen. Dennoch bietet die Natur auch „Animalisches“- wie es in der älteren Literatur heißt. So werden einige Zubereitungen aus Tieren und deren Sekreten, aus Krankheitserregern oder Toxinen hergestellt. Zumeist erfolgt die Anwendung dieser Drogen in verdünnter, potenzierter Form.

Früher teilte man die Natur in zwei große Reiche, in Fauna und Flora; die Pilze, wurden zu den Pflanzen gerechnet. Heute gelten sie als eigenständige und wichtige Domäne. Viele Pharmaka stammen aus Pflanzen, die heute in der integrativen Medizin verwendet werden. Von A wie Abrotanum (Eberraute), über M wie Malus (Apfelbaum), der in Form der Knospen genutzt wird, bis hin zu Z wie Zingiber (Ingwer), der sowohl als Tinktur oder Kapseln, als auch in homöopathischer Form rezeptiert wird. Eine grobe Einteilung der tierischen Arzneien kann nach deren Ursprüngen erfolgen. Bedeutend ist die zu den Insekten zählende Biene, die in der Apitherapie genutzt wird. Homöopathiker und Humoralmediziner greifen etwa auf Mollusken wie der Sepia (Tintenfisch) zurück und auf Reptilien wie Lachesis (Buschmeister-Schlange). Von Belang sind weiters Ausgangsstoffe von Säugetieren wie etwa Ambra (Pottwal) oder Castoreum (Biber). Spagyriker verarbeiten Taubenkot, Hirschhörner, Perlen und Eierschalen. Volksheilkundliche haben früher Kuhfladen verwendet; heute sind Bakterienpräparate als Biotika gerne verordnet, ebenso wie Krankheitserreger- diese allerdings in verdünnter Form.

Viele dieser Stoffe werden heute im Sinne der Homöopathie potenziert und bei Bedarf mit anderen Zubereitungen, seien es Tinkturen, Essenzen, Quintessenzen oder Mazerate, gemischt verordnet. Ursprünglich wurden homöopathische Remedia aus spagyrisch bereiteten Urtinkturen hergestellt. Diese besondere Aufbereitung durch Trennung in die drei philosophischen Prinzipien ist heute leider in Vergessenheit geraten.

Ein wichtiges Therapeutikum aus dem Tierreich ist Apis, das heute durch die Zunahme von Allergien ansteigende Bedeutung hat. Das Homöopathikum wird aus der ganzen, lebenden Honigbiene (Apis mellifica) gewonnen und daraus eine Tinktur bereitet. Durch Potenzieren werden aus einer Biene mehrere tausend Liter einer Potenz in D6 gefertigt. Die Leitsymptome entsprechen jenen eines Bienenstiches: Brennen und Stechen, feurige Schmerzen, begleitet von einer Schwellung. Kalte Anwendungen bessern die Symptomatik. Derartige Zeichen sind typisch für Allergien, bei Neurodermitispatienten und Personen mit Beschwerden der Nerven, der seriösen Häute oder der Schleimhäute sowie der Lymphorgane, insbesondere des Kopfes. Apis stellt bei solchen Leiden Bewährtes für die lymphatisch-hyperplastische oder katarrhalisch-rheumatische Konstitution dar und wirkt bei der allergischen Diathese. Bei entsprechenden klinischem Eindruck kann Apis jedoch wesentlich breiter verordnet werden, gut in Kombinationen mit Thuja.

Beispielrezeptur nach F. Garvelmann bei hydrogenoider Konstitution mit hyperplastischer exsudativer Rhinitis, ausgelöst durch nasskaltes Wetter, gut ergänzt durch Eigennosoden wie Blut oder Urin.

Rp.
Angelika Ø
Scrophularia Ø
Na chloratum D6
Apis D6
Thuja D4 aa ad 20
M. f. Dil. d.h. mischen um eine Verdünnung oder Potenz herzustellen.
Dosierung dem Alter entsprechend.

Sehr gut in unsere Zeit passt Ambra. Von Pottwalen (Physeter macrocephalus) gebildet, wird sie seit Jahrhunderten verwendet. Ihr außergewöhnlicher Geruch und Eigenschaften waren eine Besonderheit. Dadurch war Ambergris ein Schatz des Meeres und schwimmendes Gold. Das Sekret besteht aus den unverdauten Stücken von Kopffüßern wie Tintenfischen. Die meisten Reste werden erbrochen, ein Teil wandert jedoch in die Eingeweide des Wals und verbindet sich dort zu einer festen Masse. Gegenstand der Forschung ist, wie Ambra von dort an die Meeresoberfläche gelangt. Zunächst hat Ambra einen unangenehmen Geruch nach Fäkalien, jedoch durch Sonne und das Schweben im Meer bildet sich der wertvolle Stoff, der früher in Parfums sowie heute als Homöopathikum verwendet wird. Angewendet zeigt Ambra die Signatur des Pottwals, der in einem Rhythmus lebt, wiederkehrend auf- und abtaucht. Er schwimmt und schwebt umgeben vom Meerwasser, wie der Mensch als ungeborenes Wesen. Das Sekret bildet sich mit seltener Langsamkeit in unserer Zeit voller Überfluss und Dynamik. Sorgen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die damit verbundenen Ängste, die innere Unruhe sind Symptome unserer Zeit. Hier kann Ambra helfen, zu jener Ruhe zu führen, die der Pottwal erlebt. Die stille und sanfte Entstehung des Sekretes mit der Verbundenheit des Wassers soll Leichtigkeit wiederbringen. Ambra ist eine Arznei für Menschen, die aufgrund geschäftlicher Belastungen Schwierigkeiten beim Schlafen haben; ein Nervenmittel für gehetzte Menschen, die überfordert werden. Meist verbessern sich Gesundheitsprobleme durch Bewegung an der frischen Luft; sie verschlechtern sich durch äußere Reize beispielsweise nach dem Essen, beim Einkaufen oder durch Musik. Überreizung geht häufig mit einem übertriebenen Ausbruch an Gefühlen einher. In Mischungen wird Ambra zur Behandlung der endokrin-vegetativen und neurogenen Konstitution angewendet. Ferner hochsensible Patienten und Personen mit Anzeichen hoher Erschöpfung sollten an Ambra denken. Als weiteres Anwendungsgebiet bieten sich Verstopfung, Asthma und krampfartiger Husten oder Kopfschmerzen an – all dies als Folge von Zuviel und der damit fehlenden Fähigkeit loszulassen.

Rezepturbeispiel bei Schlafstörungen infolge von Sorgen; bei Patienten, deren Element Wasser zuwenig genährt wurde.

Rp.
Aqua Lunae (Alcahest) 20 ml
Ambra D4 2ml
M. f. dil. Idealerweise wird vermengt und anschließend dynamisiert. Die Mischung entspricht dann in etwa Ambra D5.
Dosierung abends 5 Tropfen.

Coccus cacti, die ganzen, getrockneten, weiblichen Cochenille-Läuse (Dactylopius coccus) dienten früher der Schönheit. Nicht oder nur geringfügig zerkleinerte Teile, also die Toto-Droge, werden gequetscht, mit Alkohol ausgezogen und üblicherweise in D4 oder D6 eingesetzt. Gegen die Verwendung der Urtinktur spricht die tiefrote Farbe, die hartnäckige Flecken verursacht. Diese Arznei hat einen Organbezug zur Niere und zu damit verbundenen Erkrankungen. Benützt wird sie sowohl im Akutfall als auch bei nephrogener Konstitution und azider Diathese. Neben entzündlichen Erkrankungen des Nieren-Blasen-Bereichs wie Nephritis, Blasenentzündungen und Nierensteinleiden wird Coccus cacti bei krampfartigen Beschwerden der Atemwege, verbunden mit zähem Schleim oder bei Leiden des Verdauungstraktes verordnet. Alle Symptome wie Magenbeschwerden, Übelkeit oder Husten stehen mit galertigem Schleim in Verbindung. Würgt und erbricht der Patient hervorgerufen durch Hustenanfall, Berührung der Schleimhäute oder Übelkeit, unterstützt Coccus cacti die Ausscheidung von Schärfen über die Nieren und fördert auf diese Weise das Abklingen der Symptome. Manche Patienten beschreiben keine derartigen Beschwerden, klagen jedoch über Schmerzen in den Waden oder den Oberschenkeln entlang des Blasenmeridians (mittig); dann ist neben Virgaurea an die Cochenille-Läuse zu denken. Rezepturbeispiel bei häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen infolge eines Traumas, therapieresistent gegenüber Antibiotika.

Rp.
Abrotanum spag. Tinktur 20 ml
Geranium spag. Tinktur 20 ml
Coccus cacti D3 5 ml
Staphisagria D6 5 ml
M. f. dil.- Idealerweise wird gemischt und anschließend dynamisiert. Die Mischung entspricht dann Coccus cacti D4 und Staphisagria D7.
Dosierung 3 x tgl 10-15 Tropfen.

Formica rufa, die rote Waldameise zählt zu den sogenannten Umstimmungsmitteln. Das heißt, dass absurde pathologische Reaktionsmuster so geändert werden, dass der Körper weniger sensibel reagiert. Für die Urtinktur werden die lebenden Ameisen mit Alkohol mazeriert. Nach einer Rezeptur für Tinctura Formicarum aus einem alten Arzneibuch werden 2 Teile frische, zerquetschte rote Ameisen mit 3 Teilen Alkohol übergossen und innerlich wie äußerlich bei Lähmungen und Nervenleiden angewendet. Bäder, die durch Zugabe einer Abkochung von roten Ameisen bereitet wurden, fanden früher Verwendung bei rheumatischen und gichtischen Einschränkungen. Der Wirkschwerpunkt dieser homöopathischen Arznei liegt zwar im Bewegungsapparat, passt jedoch ebenso bei chronischen Katarrhen, Anzeichen einer Allergie und Hautkrankheiten, deren Beschwerdebilder unsinnige Reaktionen des Körpers auf Reize darstellen. Die Leitsymptome entsprechen einer Verätzung durch Ameisensäure: Bildung eines Ausschlags, Brennen, Jucken, Schmerzen. Manche empfinden dies als Kribbeln, das durch hunderte über den Körper laufende Ameisen verursacht zu sein scheint. Betrachtet man die Signatur der Waldameise, so ist leicht zu erkennen, dass sie ein erdiges Wesen ist, emsig und arbeitsam. Sie baut faszinierende Bauwerke, durchlüftet und stabil, geschützt durch Ameisensäure. Sie vermag andere Tiere zu ihrem Zweck zu nutzen; sie züchtet Läuse, um deren süßen Saft zu melken und meidet die Sonne. Die Waldameise ist von Bedeutung für Menschen, die stetig arbeiten, das Wetter draußen verpassen und die akute Erkrankung dennoch ignorieren. Sie können bereits völlig abgearbeitet sein, funktionieren aber weiter, übereinstimmend mit dem Ameisenvolk. Schließlich reagiert der Körper mit unnützen pathologischen Reaktionsmustern: Rheumatische oder gichtige Anzeichen, steife Gelenke, Knoten oder chronische Entzündungen (häufig der Atemwege) mit Schwellungen, Polypen sowie Zysten. Auch bei Restless-legs kann die Potenz der Ameise helfen. Formica rufa unterstützt die katarrhalisch-rheumatische Konstitution sowie bei allergischer und azider Diathese. Passt die entsprechende Symptomatik, kann diese Verdünnung ferner bei Skrofulose rezeptiert werden. Die Waldameise ist ein Mittel, das gerne in Mischung mit Eigenblut in die entsprechende Reflex- oder Head’sche Zone ferner gemäß der Segmenttherapie gespritzt wird.

Beispielrezeptur nach F. Garvelmann- aus „Konstitutionsmedizin“: Allergische Diathese infolge von Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Rp.
Formica rufa D6
Okoubaka D3
Scrophularia Ø aa 20
Abrotanum Ø 50
M. f. dil.
Dosierung dem Alter entsprechend.

Zu den Polychresten der Homöopathie – Arzneimittel, die viele unterschiedliche Anwendungsgebiete abdecken – zählt Sepia, die Tinte der Tintenfische (Sepia officinalis). Das Ausgangsmaterial besteht im Grunde aus einer Mischung verschiedener Substanzen, die ebenfalls homöopathisch genutzt werden, wie Calcium carbonicum, Magnesium carbonicum, Natrium sulfuricum, Natrium chloratum, ergänzt durch einen schwarzen Farbstoff. Das Remedium zeigt in der Prüfung ein eigenes Wirkprofil. Sepia ist ein typisches Frauenmittel, kann natürlich bei entsprechenden Beschwerden Männern und Kindern verabreicht werden. Die Sepiafrau wird als schlank und hager beschrieben, mit einem Körperbau, der nicht unbedingt zum Gebären bestimmt ist. Auf der psychischen Ebene werden solche Frauen als gefühlskalt und emotional verschlossen beschrieben; sie sind dabei perfektionistisch, verantwortungsbewusst und zeigen ein hohes Maß an Gerechtigkeitssinn. Das humorale Bild ist durch Kälte und fehlende Feuchtigkeit gekennzeichnet, die Energiereserven sind begrenzt. Das klinische Bild ist entsprechend vielfältig. Die Beschwerden können im Herz-Kreislaufsystem auftreten wie zum Beispiel in Form plethorischer Stö-rungen mit prall gefüllten Venen und Hämorrhoiden, die beim Stuhlgang regelrecht platzen. Im HNO-Bereich zeigen sich chronische Entzündungen mit stockendem Sekret. Das Krankheitsbild im Verdauungstrakt und in den Ausscheidungsorganen manifestiert sich in harten Stühlen, fehlendem Stuhldrang bei gleichzeitigem Eindruck, dass die Organe nach unten drängen. Ergänzt wird dies durch Blähungen, Unverträglichkeiten und Geruchsempfindlichkeit. Der Schwerpunkt von Sepia als Arznei für Frauen ist im Becken und in den Fortpflanzungsorganen zu finden: Alle Formen von Stauungen sind möglich: Späte, starke oder fehlende Menses, Myome, Blutstauungen, Fehlgeburtsneigung, Infektionen; das Geschehen wechselt durchaus mit der Blum. Im Lendenwirbelbereich herrscht eine Kälte, die abwärts zieht, die Hände und Füße sind kalt. Alle Krankheitszeichen sind geprägt durch Stagnation und dem damit verbundenen Druck und mit dem Gefühl der inneren Schwere, von einem Klumpen oder dem Drang nach außen. Sepia ist ein Mittel für eine Vielzahl von Erkrankungen gut kombiniert mit wärmenden und lymphbewegenden Therapeutika. Ist der Kinderwunsch jahrelang unerfüllt, gilt Sepia hochverdünnt in C1000 als Potenz der Wahl. Als Leitsymptom für diese gilt Frustration und Wut ebenso, wie mögliche Generationen übergreifende und Familien charakterisierende gesundheitliche sowie emotionale Probleme.

Wichtig ist zu bedenken, dass die Beschreibung der coolen, distanzierten Persönlichkeit gleichfalls für Menschen gültig ist, deren Würde und Grenzen verletzt wurden; ein sexueller Bezug muss dabei nicht vorliegen. Die Kränkung und Missachtung der persönlichen Integrität, häufig durch Vertrauenspersonen, ist ein Zeichen für die Verabreichung von Sepia. Entsprechend ihrer Signatur gilt: Wird die Situation unerträglich, verschwindet der Tintenfisch in einer schwarzen Wolke. Rezepturbeispiel für fehlende Menses, ein Jahr nach Saugglockengeburt mit Bauchpresse.

Rp.
Fliedermazerat 25 ml
Tannenmazerat 25 ml
Sepia D4 5 ml
M. f. dil.- Idealerweise wird gemischt und anschließend dynamisiert. Die Mischung entspricht dann ca. Sepia D5.

Der Blogbeitrag wird fortgesetzt!

Text zur Verfügung gestellt von
Mag.a pharm. Dr. Gabriele Kerber-Baumgartner
www.apotheke-hofwiese.at