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Die Dreiheit in der Natur: die philosophischen Prinzipien

Der Sinnspruch „Alle guten Dinge sind drei“ scheint uns in einer chaotischen, wenn auch möglicherweise ausklingenden Corona Zeit als hoffnungsvoll naiver Zugang zu einer berechenbaren Weltordnung. Konnten Generationen vor uns auf eine Welt hoffen, die in einer friedlicheren und toleranteren Zukunft münden würde, so blicken die meisten von uns auf omnipräsenten und sinnentleerten Aktionismen, die nicht einmal in der Lage sind, auch nur kurzen Trost zu spenden.

Die betäubende Wirkung der monotonen Verunsicherung und Angstmache lässt nach, Leere und Orientierungslosigkeit übernehmen gänzlich die Oberhand. Der Spruch, dass alle guten Dinge drei sein sollten, wirkt verloren und vollkommen aus der Zeit gefallen. Und weshalb sollten es genau drei sein? Warum nicht zwei oder gar vier?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir es wagen, der Oberfläche des Offensichtlichen zu entfliehen und in eine Welt „dahinter“ zu blicken. Obgleich wir mit aller Kraft versuchen, eine Umgebung zu schaffen, in der die von uns erfundenen Gesetze regieren, bleiben wir gänzlich der Natur zugehörige Wesen. Damit sind wir auch den alles durchdringenden Naturgegebenheiten nicht nur unterworfen, wir sind ein Teil dieser natürlichen Prinzipien. So sind es Naturverständige und Hermetiker, die uns darauf hinweisen, dass, wenn etwas einmal vorkommt, es alleine stehen kann. Kommt es jedoch ein zweites Mal vor, so ist ein drittes unabdingbar. Das Dritte fordert ein fünftes, kann aber – so wie das eine mal – für sich selber bestehen bleiben. Ein zweites oder ein viertes scheint in dieser Abfolge nicht beständig.

Die Stabilität der Drei kommt uns immer wieder unter. Ein Hocker mit drei Beinen ist eine stabile Sitzgelegenheit, die drei Musketiere halten zusammen und Kinder spielen Vater – Mutter – Kind; wir halten Körper, Geist und Seele zusammen; eine große Weltreli-gion hat Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist als Grundlage und Rechtfertigung ihrer Existenz gewählt. Hier lassen sich weiter zahllose Beispiele – auch triviale aneinanderreihen. Wenden wir uns einer tieferliegenden Naturbetrachtung zu, in der sich drei „Philosophischen Prinzipien“ Sulfur, Merkur und Sal zu erkennen geben. Ein Hermetiker der zwanzigsten Jahrhundert, Manfred Junius, spricht von „den notwendigen Substanzen, welche die materielle Verdichtung überhaupt erst möglich machen“. Daraus kann man folgern, dass alles manifestierte eine grundlegende Dreiheit in sich trägt und dort immer wieder mit der Drei zu rechnen ist.

Doch richten wir unseren Blick auf diese einzelnen Aspekte. „Sulfur“ ist nicht mit Schwefel gleichzusetzen, Schwefel ist bloß eine stoffliche Manifestation, die sehr viele offensichtliche sulfurische Eigenschaften in sich bringt. Das Wort „Sulfur“ deutet auf das „Schwefelige“ in den Dingen hin: gefärbt, brennbar, ölig, feurig und scharf. Darüber hinaus sind sulfurische Eigenschaften männlich, aktiv und bewusst.

Genauso wie Sulfur nicht das chemische Element Schwefel ist, ist Merkur oder Mercurius nicht das chemische Element Quecksilber. Im Prinzip „Merkur“ finden wir Anschmiegsames, Formbares, Passives und Unbewusstes; häufig verwendet wirkt vermittelnd und ist (Über)Träger von Informationen aller Art. In der Hermetik oder Alchymie nutzen wir die merkurialen Überträger- und Vermittlereigenschaften von Alkohol. Im arabischen Raum begegnet uns der Merkur als die bewegte Luft Ruah, im indischen Sanskrit als lebendiger Atem Prana.

Das Prinzip „Sal“ erinnert vom Wortstamm her an unser „Salz“. Eckig, kantig, hart, starr und fix zeigt es sich uns. Als die Manifestation an sich lässt Sal die Dinge erst sichtbar und greifbar werden. Der Wortstamm „Sal“ findet sich in der Bezeichnung für die hermetische Kunst Alchymie oder wie es Alexander von Bernus schreibt, „Halchymia“, „Salzkochen“.

Jeder Gegenstand in unserer grobstofflichen Welt beinhält diese drei Philosophischen Prinzipien, jedoch in unterschiedlichem Maße. Die Bordsteinkante aus Granit hat nur sehr wenig vom merkurialen oder sulfurischen Prinzip, hier dominiert offensichtlich das harte, starre Sal Prinzip; das Harz von Bäumen ist brennbar, ölig und es offenbart vorherrschenden Sulfur. Im selben Maß werden wir immer wieder Objekte oder Gegebenheiten vorfinden, in denen ein Prinzip offensichtlich überwiegt oder in einem ausgewogenen Maß innewohnen.

Die Philosophischen Prinzipien haben sich Wissende zu Nutze gemacht, um Dinge zu erhöhen und dadurch verborgenen Kräfte freizulegen. Pflanzen, Steine, Metalle aber auch Tiere u. a. können entsprechend präpariert und somit „alchymisch“ aufgeschlossen werden. Mit dem geringsten Aufwand offenbaren sich für den Interessierten Adepten Bereitungen aus dem Pflanzenreich. Die Grundhandgriffe zur Darstellung der Prinzipien gelingt leicht und sind für jeden angehenden Naturverständigen in trivialer Weise zu verstehen. Beginnen wir mit der Pflanzen „Tinctur“ oder „Tinktur“. Wir nehmen Pflanzenmaterial, bevorzugt Frischpflanze, auch getrocknetes Pflanzenmaterial kann verwendet werden und übergießen mit Alkohol. Die Qualität des Alkohols als Extraktionsmittel und als der Vermittler zwischen der festen und der flüssigen Phase ist eine Entscheidende. Der industriell dargestellte Ethanol als Abfallprodukt von Syntheseprozessen ist kostengünstig in auch vergällter Form zu erstehen, jedoch nicht für die Bereitung unserer Tincturen geeignet. Augenscheinlich oder mittels einfacher chemischen Analysen handelt es sich bei Industriealkohol und bei Alkohol aus biologischen Ursprung um die selbige Substanz. Entscheidend ist die Herkunftsgeschichte. Natürlich haben wir in der Hauptsache bei beiden Fällen – im maschinell – industriellen und im biologisch – enzymatischen – die identische chemische Struktur C2H5OH, jedoch nimmt der Alkohol andere Substanzen aus seiner Entstehungsgeschichte mit. Beides wurde destilliert. Kosten wir das ethanolische Destillationsprodukt Zwetschenschnaps und vergleichen mit Marille, dann erledigen sich weitere Gedankengänge im Hinblick auf ein Stamperl destillierten Industriealkohol sowie Überlegungen, Industriealkohol für eine Pflanzentinctur zu verwenden.

Nach ausreichend Zeit filtrieren wir ab und behalten den Filtrationsrückstand. Diesen veraschen wir und waschen mit destilliertem Wasser die löslichen Salze heraus. Der Rückstand „Caput Mortem“ kann endgültig verworfen werden, das klare Filtrat wird vorsichtig eingeengt, bis dass an der Oberfläche ein Häutchen zu sehen ist. Die Wärmezufuhr wird unterbrochen und alles abgekühlt, danach an einem kühlen Ort aufbewahrt. Die klaren Kristalle werden gesammelt. Sind diese Kristalle trüb oder stark gefärbt, werden diese ein weiteres Mal aufgelöst und nochmals eingeengt. Ist dieser Vorgang nicht hilfreich, können die Kristalle nochmals geglüht und der gesamte Vorgang wiederholt werden. Haben wir die Kristalle isoliert, haben wir das gereinigte Prinzip „Sal“ der Pflanze in Händen. Setzen wir den Sal der tingierten Lösung zu, sprechen wir von einer „Spagyrischen Tinktur“. Der Unterschied zu einem herkömmlichen Alkoholauszug ist bedeutend. Das gereinigte Sal stellt die Verbindung zur Körperlichkeit her, der Alkoholauszug alleine greift zu kurz und bleibt flüchtig, er erreicht die Physis nicht wirklich. Das manifestierte Sal bedingt die tiefgreifende Wirkkraft und die Fülle einer Tinktur; diese offenbaren sich bei Einnahme der Präparationen.

Die Qualität der Präparation des Sal – Prinzips bedingt neben der Verwendung von geeigneten Ausgangsstoffen die Kraft der zusammengeführten, „Cohobierten“ Tinctur. Führen wir den Gedanken weiter und beschränken uns nicht nur auf die Reinigung des „Sal“. In der Tinctur können wir Merkur und Sulfur nicht mehr voneinander trennen, also müssen wir anders beginnen. Wir nehmen das Pflanzenmaterial und übergießen es mit Wasser. Gutes Quellwasser oder destilliertes Wasser eignet sich dafür, weniger gut Leitungswasser. Wir lassen diese Mischung einige Stunden stehen (bei getrockneten Pflanzen über Nacht) und beginnen die Destillation, bei der wir das Hydrolat mit dem „Sulfur“ erhalten. Diesen können wir reinigen, indem wir nur das Öl, das an der Oberfläche des Hydrolats schwimmt, entnehmen und weiterverwenden. Viele Pflanzen haben allerdings einen so geringen sulfurischen Anteil, dass wir im Hydrolat keine ölige Schicht an der Oberfläche erkennen oder gar isolieren könnten. In jenem Fall müssen wir das gesamte Hydrolat aufbewahren.

Wir übergießen das verbleibende Pflanzenmaterial mit Alkohol, lassen mehrere Wochen stehen und destillieren den Alkohol, unseren „Merkur“ ab. Wem dieser Weg zu kunstlos erscheint, dem bieten sich diese Wege an: mit Zucker- (und Hefezusatz) zum Pflanzenmaterial starten wir die Gärung, durch den Alkohol, der Merkur dieser Pflanze entsteht. Dieser Prozess kann so lange mit Zucker aufrecht gehalten werden, bis wir etwa 15% Alkohol in der Pflanzensuppe erreicht haben. Danach macht es keinen Sinn, mehr Zucker dazuzugeben. Bedenken wir, dass Zucker seine eigene Geschichte, Signatur, Information oder wie auch immer mit sich bringt und so unser Präparat beeinflusst.

Bei stärkehaltigen Pflanzen reicht es, den Rückstand einige Zeit bei Raumtemperatur stehen zulassen. Die Gärung beginnt spontan, wenn auch nicht so heftig wie mit Zuckerzusatz. Wir warten bei beiden Wegen die Gärung ab und destillieren. Das Destillat kann noch mehrfach rektifiziert werden, der Merkur aufbewahrt.

Zurück bleibt der wässrige Pflanzenrest, den wir abfiltrieren. Das Filtrat wird eingeengt und durch den Vulkan geführt, der Filterrückstand selber verascht. Aus dem Rückstand können wir das Sal der Pflanze auswaschen und wie oben verfahren, mit der Asche aus dem Vulkan simile modo.

Wir haben nun die drei Prinzipien der Pflanze gereinigt und isoliert vorliegen. Wir bringen das Sal in den Merkur ein und zirkulieren die Mischung einige Tage. Danach setzen wir den Pflanzensulfur zu. Wir erhalten eine spagyrische Essenz, farblos oder leicht gefärbt und unvergleichlich subtiler als die einfache Pflanzentinctur.

Eine aufmerksame und bewusste Präparation der Prinzipien, Reinigung und wieder Zusammenführung bedingen ein kunstvolles das Präparat. Aufmerksamkeit und Bewusstheit spielen besonders für die spagyrische Präparation eine entscheidende Rolle; dies gilt in großem Maße für alle Tätigkeiten, die wir mit Aufmerksamkeit verfolgen und zu einem gelungenen Leben beitragen. In dieser Aufmerksamkeit werden wir auch die Stimmigkeit und Stabilität der Dreiheit entdecken. Die Harmonie und Standfestigkeit dieses tief in der Natur verankerten „Dreiecks“ lässt uns schließlich an dieser Stelle klar werden, dass „alle guten Dinge drei sind“.

Bild: After: Salomon Trismosin, Splendor solis, 1582, British Library, Harley ms. 3469, Reference Wellcome Library no. 38824i

Blogtext @ Dr. Christian Baumgartner