BLOG September 2023
Das Feuchtigkeitsprinzip in der konstitutionellen Irisanalyse

Teil 1

Im vorherigen Newsletter des TEM-Fachvereins wurde mit der „physiologischen Wärme“ das energetische Prinzip und seine Darstellung in der Irisdiagnostik behandelt. Jetzt steht die humorale Qualität der Feuchtigkeit sowie ihr Gegenpol ‘Trockenheit’ im Fokus.

Die Feuchtigkeit entspricht in der Humoralmedizin dem YIN-Prinzip der taoistischen Medizin: Einerseits ist sie der Ursprung jeder Materie, aus der die organischen Strukturen des Menschen entstehen und sich regenerieren, andererseits repräsentiert sie auch die Speicherform der Energie, die potenzielle Energie.

Die untrennbare Dualität von Wärme und Feuchtigkeit hat ihre moderne Analogie in der Computertechnologie: Software und Hardware. Nur aus ihrer gemeinsamen Interaktion ergibt sich die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Computersystems – vorausgesetzt, die dafür notwendige Energie steht zur Verfügung. Übertragen auf einen lebendigen Organismus, sind die Gewebe und die daraus aufgebauten Organe die Hardware, die durch Energie und das regulative „Software-Prinzip“ zum „Leben“ erweckt wird, was in der jeweils spezifischen Funktionalität zum Ausdruck kommt. Die „physiologischen Wärme“ repräsentiert sowohl die Energie als auch die regulativen Aspekte. Wärme und Feuchtigkeit sind niemals isoliert voneinander zu sehen. Sie stehen in ständiger untrennbarer Interaktion. Die definierte Relation zwischen Wärme- und Feuchtigkeitsprinzip (bzw. deren Gegensätze Kälte und Trockenheit) ist in der heutigen Humoralmedizin das, was man als ‘Kardinalsäfte’ bezeichnet. In der Thematik dieser Arbeit steht v.a. der Kardinalsaft Phlegma mit seinen kalten und feuchten Qualitäten im Zentrum der Betrachtung.

In der humoralmedizinischen Krankheitslehre entstehen entsprechende Krankheiten pathophysiologisch durch ein ‘Zu viel’, bzw. ein ‘Zuwenig’ an Feuchtigkeit oder durch deren minderwertige Qualität. Übermäßige Feuchtigkeit liegt z. B. dem gesamten Formenkreis skrofulöser Krankheiten zugrunde. Hyperplastische Zustände und katarrhalische bzw. ekzematische Ersatzausscheidungen sind hierbei diagnostisch kennzeichnend.

Jede Gewebedegeneration, Hypoplasie und eingeschränkte Beweglichkeit (auch geistige Starre) sind diagnostisch kennzeichnende Merkmale für humorale Trockenheit.

Die pathophysiologischen Hintergründe der konstitutionellen Feuchtigkeits-Pathologie und die Hintergründe ihrer augendiagnostischen Darstellung werden im Wesentlichen durch die folgenden drei Lehrsätze der Humoralmedizin beschrieben:

  • Phlegma muss zu durch Einwirkung physiologischer Wärme zu Sanguis weiter entwickelt werden, denn nur Sanguis kann in den Geweben „verbraucht“ werden.
  • Für überschüssiges, nicht verbrauchtes Phlegma gibt es kein physiologisches Ausscheidungsorgan. Daher muss es ggf. über katarrhalische und/oder ekzematische Ersatzausscheidungen ausgeschieden werden.
  • Nur physiologisch bewegte Säfte erfüllen ihre physiologischen Aufgaben. Stauung (Stagnation) im Säftefluss ist stets pathogen.

Auf diese Gesetzmäßigkeiten wird im folgenden Text wieder Bezug genommen.

Die folgenden Faktoren sind maßgeblich für den Feuchtigkeitshaushalt des Organismus verantwortlich. Pathologische Zustände der Punkte 2 bis 5 manifestieren sich in typischen irisdiagnostischen Phänomenen.

  1. Qualität und Menge der Nahrung
  2.  Effizienz der Coctio
  3. Konstitutionelle Phlegma-Pathologie
  4. Bewegung der Feuchtigkeit
  5. Kompensatorische Ausscheidungen

ad 1: Einer der Hauptgründe, warum sich im Laufe der Evolution kein Eliminationsorgan für übermäßiges Phlegma entwickelt hat, ist die Tatsache, dass es (mit Ausnahmen…) bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts keinen Nahrungsüberfluss gab. Das Leben war vielmehr darauf ausgerichtet, ausreichend Nahrung zu bekommen, was für die Mehrheit der Bevölkerung, auch in Europa, nicht selbstverständlich war. Das hat sich bekanntlich völlig ins Gegenteil verkehrt, was nicht nur eine Frage der Nahrungsmenge, sondern auch deren Qualität ist. Dabei spielt die Industrialisierung der Nahrungsproduktion eine ziemlich unrühmliche Rolle. Die Problematik des hohen Fettgehaltes und die Tatsache, dass selbst in pikanten Nahrungsmitteln, bei denen man dies absolut nicht erwarten würde (z.B. Tomaten-Sugos, saure Gurken), in nicht unerheblicher Menge Zucker enthalten ist, wird ja glücklicherweise inzwischen kritisiert – leider mit bisher überschaubarem Erfolg… Auf den Punkt gebracht, lässt das gesamte Nahrungsmittel-Dilemma der heutigen Zeit nur einen Schluss zu: Lebensmittel (die diese Bezeichnung verdienen) sind für die industrielle Verarbeitung prinzipiell absolut ungeeignet.

Die humoralen Qualitäten von Fetten, Ölen, raffiniertem Zucker, isolierten Kohlehydraten und Kuhmilch sowie die daraus hergestellten Produkten sind humoral feucht, d.h., sie fördern in unphysiologischer Weise das Phlegma-Prinzip.

Unser Organismus reagiert auf dieses Überangebot aber nach wie vor sehr archaisch: Er holt das Phlegma aus den Fließsystemen und deponiert es als Reserve für ‘Notzeiten’ in Form von Fettgewebe. Adipositas ist die unübersehbare Folge dieses, heute eigentlich überflüssigen Mechanismus.

Weitere Probleme entstehen aber aus der übermäßigen Feuchtigkeit, die sich noch in den Fließsystemen befinden. Sie bedingen die in den folgenden Punkten beschriebene Pathophysiologie.

Die quantitative und qualitative Anpassung der Nahrung an die individuelle Lebenssituation und Konstitution des Patienten ist also die unabdingbare und primäre Basis jeder Therapie einer Feuchtigkeits-Pathologie.

Lesen Sie mehr zu den irisdiagnostischen Phänomenen athologische Zustände der Punkte 2 bis 5 in den folgenden Newslettern.

Autor und ©: Friedemann Garvelmann www.trad-nhk.org