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Abwehr außer Kontrolle

Allergien und Autoimmunerkrankungen Teil I

Im Herbst können die meisten Allergiker mal richtig gut durchatmen; nur mehr wenig Pollen liegt in der Luft, Regen reinigt feine Partikel aus der Atmosphäre. Jetzt gilt es an eine naturheilkundliche Allergietherapie zu denken, diese hat nämlich in der Allergienebensaison große Bedeutung.

Der Begriff Allergie leitet sich aus dem griechischen für „allos“ anders und „ergein“ arbeiten ab. Der Name zeigt, dass bei dieser Erkrankung das Immunsystem differenziert agiert. Spielen die verschiedenen, an der Abwehr beteiligten Organe, Zelltypen und Stoffe perfekt und in einem komplexen System zusammen, dann ist der Mensch mit einer funktionierenden Abwehr gesegnet. Bei allergischen Reaktionen klappt dieses Zusammenspiel nicht; der Körper reagiert auf im Grunde unschädliche Stoffe. Diese fehlgeleiteten Antworten des Immunsystems richten sich bei einer Allergie gegen körperfremde Partikel, während sie bei einer Autoimmunkrankheit gegen den eigenen Körper zielen. Interessant ist, dass bei einer Allergie das Verhältnis der T-Helferzellen TH1 zu TH2 Richtung TH2 verschoben ist, während bei vielen Autoimmunerkrankungen umgekehrte Proportionen vorliegen. In beiden Fällen kommt es zu Entzündungsreaktionen mit unangenehmen, bekannten Begleiterscheinungen. In Deutschland und vermutlich auch in Österreich weist knapp jeder Dritte eine allergische Erkrankung auf, jeder Fünfte leidet darunter. Geschätzt fünf bis acht Prozent sind von einer Autoimmunerkrankung betroffen.

Wird die Signatur dieser Fehlleitung betrachtet, so zeigt sich, dass unser Körper übersensitiv auf seine Umwelt reagiert. Epidemologen haben als Ursache unsere westliche, industrialisierte Lebensweise als wesentlichen Parameter ausgemacht. Unser Lebensraum wurde im letzten Jahrhundert von chemisch, synthetischen Stoffen überschwemmt sei es in der Kleidung, der Luft, den Reinigungsmitteln und vielem mehr. Diesem zu viel an Umweltschmutz steht ein zu wenig an Dreck gegenüber. Die industrielle, denaturierte Kost ist vollgestopft mit Molekülen, die natürlicherweise in kein Lebensmittel gehören und gleichzeitig sind durch die intensive Landwirtschaft die Böden ausgelaugt und verarmt. Viel Zeit verbringen wir im Inneren von Gebäuden mit spärlicher Bewegung. Hinzukommt Lärm, Elektrosmog und ionisierende Strahlung und eine Vielzahl an Stoffen, die unser Mikrobiom beeinflussen. Ist es verwunderlich, dass der eine oder andere gegenüber dieser Welt eine gewisse Abwehrreaktion entwickelt? Im Falle einer Autoimmunerkrankung richtet sich das kriegerische Bestreben gegen eine eigene körperliche Struktur. Welches innere Gefüge bedarf einer Auflösung, dass die Aggression des Körpers sich dagegen richtet? Hier hilft ein mutiges Infragestellen der eigenen Lebensprinzipien und die Auseinandersetzung mit persönlich erforderlichen Ab- und Umbauten.

Verschiedene Formen der Allergie sind bekannt wie etwa jene vom Früh- und Spättyp. Bezeichnet wird die Allergie nach dem auslösenden Stoff. Dabei liegt bei allen hypersensitiven Reaktionen des Körpers ein und dieselbe Ursache dahinter: Das fehlgelenkte Abwehrsystem unseres Körpers!

Eine naturheilkundliche und ganzheitliche Therapie versucht folglich die Überempfindlichkeit zu reduzieren und stellt nicht das Allergen in den Vordergrund etwa durch Abstinenz oder Sensibilisierung.

Grundsätzlich bedarf nicht jede überschießende Reaktion eine Therapie. In manchen Fällen reicht eine Lebensstilanpassung. Beispiele sind etwa regelmäßiges Staubsaugen und Vermeidung von Teppichböden bei einer Staubmilbenallergie oder Abstinenz des Allergens wie etwa bei gewissen Lebensmitteln. Auch Nasenspülungen oder Haarewaschen oder -spülen bei Pollinose zählen zu derartigen Maßnahmen. Zu beachten ist hierbei, dass die Basis der Symptomatik, der Lymphatismus oder Skrofulose dadurch unbeeinflusst bleiben und eine Verschlechterung des Gesamtzustands nicht ausgeschlossen werden kann.

Der Therapeut, Arzt oder Apotheker wird entsprechend der vorliegenden Symptomatik, Anamnese und Konstitution ein Therapieschema vorschlagen. Bei saisonalen Formen wie Heuschnupfen wird der Therapiebeginn in die symptomfreie Zeit gelegt. Im Regelfall bieten sich Mittel an, die bei Lymphatismus und Skrofulose gegeben werden, da diese die konstitutionelle Basis für die Allergie darstellen. Die bekannteste Kombination ist jene von Eberraute (Artemisia abrotanum) mit Braunwurz (Scrophularia nodosa). Als alternatives Lymphmittel kann beispielsweise Augentrost (Euphrasia offizinalis) rezeptiert werden, insbesondere wenn die Haut bei Neurodermitis und Ekzemen betroffen ist. Apis wird eventuell bei juckenden, brennenden Beschwerden ergänzt, Allium cepa bei wässrigen, scharfen Absonderungen. Bei Beteiligungen der Lunge etwa im Fall von Asthma bietet sich Angelika (Angelica officinale) an, die ihren Schwerpunkt auf den Schleimhäuten und dem Lymphsystem der Atemwege hat und auch positive Effekte auf die Psyche mitbringt. Bei massiven Stauungen im Kopflymphsystem wird Kalmus (Acorus calamus) oder Stiefmütterchen (Viola tricolor) verordnet. Die Auswahl ist hier groß; die Mischung wird individuell zusammengestellt.

Aufgrund der Bedeutung der Darmflora auf das Immunsystem, ist zwingend eine Therapie mit Probiotika erforderlich. Entsprechende Darmkeime sollten gemeinsam mit dem konstitutionellen Mittel über einen längeren Zeitraum gegeben werden, dies gilt sowohl für klassische Hypersensitivität als auch Autoimmunerkrankungen. Die Mikrobiota des HNO-Bereichs sollten nicht vergessen werden! An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Darmflora stark von der Zusammensetzung unserer Lebensmittel abhängig ist. Unsere Ernährung stellt somit das beste Mittel in der Therapie von Allergien dar (Buchtipp: M.O. Bruker: „Allergien müssen nicht sein“).

Dem Immunsystem kann durch weitere Therapien unter die Arme gegriffen werden: Nosoden, gespritzt oder potenziert helfen zusätzlich und aktivieren die Selbstheilungskräfte. Akupunktur oder Akupressur bringen unsere Energiebahnen in Fluss. Durch das überschießende Immunsystem werden Mikronährstoffe vermehrt verbraucht. Allergiker profitieren daher von der Gabe von Zink, Selen und den Vitaminen C und D. Da die Symptomatik bei den Patienten durchaus wechseln und unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, leiden die Patienten unter dem fehlenden Verständnis der Umgebung. Bekannt ist, dass die Ausprägung der Erkrankung zusätzlich psychosomatisch geprägt wird. Entspannungstherapien und entsprechende pflanzliche Therapeutika können sinnvollerweise die Maßnahmen vervollständigen.

Erfahrungsgemäß ist eine Nebensaison zu kurz, um das Immunsystem wieder zu stabilisieren. Helfer aus dem naturheilkundlichen Portfolio sind daher für die eigentliche, symptomgeprägte Saison relevant. Welche Therapieoptionen zur Unterstützung in der Allergiezeit helfen können, lesen sie in einem späteren Newsletter.

Text zur Verfügung gestellt von
Mag.a pharm. Dr. Gabriele Kerber-Baumgartner
www.apotheke-hofwiese.at