In einer Welt, die von ständiger Bewegung und einer Flut an digitalen Reizen geprägt ist, wenden sich viele Menschen der Natur zu, um Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden. Der Sommer ist dafür ideal! Der eine fährt im Urlaub in die Berge und so mancher ans Meer. Beide Orte eignen sich nicht nur zur Erholung und zum Sporteln, sondern auch zur tiefen meditativen Regeneration.
Ich liebe es im Sommer unterwegs zu sein. Meditatives wandern in Stille genieße ich dabei sehr. Der Wald und die Landschaft sprechen zu einem, jeder Schritt birgt eine andere Welt. Meist laufe ich dabei barfuß die Wege entlang. Die Stille, die ich mir ersehne – ich begegne ihr nur selten. Meistens wird meine meditative Wanderung von schnatternden Stimmen anderer Naturbegeisterter durchbrochen. So kommt es, dass ich mittlerweile Stille unter (abgelegenen) Bäumen suche.
Bäume, als stille Giganten und Lebensspender, üben eine magische Anziehungskraft auf uns aus. Im Laufe der Jahrhunderte und über geographische Grenzen hinweg haben Menschen Bäume als Symbole des Lebens, der Weisheit und der Heilung verehrt. In vielen indigenen Kulturen galten Bäume als heilige Wesen, die als Verbindung zwischen dem Himmel und der Erde fungieren und als solche eine Brücke zwischen den spirituellen und physischen Welten bilden. Von den keltischen Traditionen, in denen Druiden heilige Haine für ihre Rituale nutzten, bis hin zum Buddhismus, wo Siddhartha Gautama unter dem Bodhi-Baum Erleuchtung fand, dienten Bäume als Orte der Besinnung, des Gebets und der tiefen Kontemplation. In der indischen Ayurveda-Lehre werden Bäume für ihre heilenden Eigenschaften und als Quelle von Medizin und Meditation geschätzt. Auch in der japanischen Shinto-Religion sind Bäume Objekte der Verehrung, wobei einige als „Kami“ oder Götter betrachtet werden. Die Baummeditation erlebte in den letzten Jahrzehnten eine Art Renaissance und ist heute Teil der breiteren Bewegung des „Waldbadens“, das in Japan in den 1980er Jahren als eine Form der Naturtherapie entstand.
Bäume waren den Menschen heilig, Götter und Geister leb(t)en in ihnen, das Leben der Menschen hing von ihnen ab. Neben der Nahrung für Mensch und die domestizierten Tiere boten sie auch Schutz, waren Medizin. Unsere europäischen fünf Heiligen Bäume sind (nach W. D. Storl): Die Birke, als Baum des lichtvollen Anfangs, die Buche, als Baum der geistigen Verbindung. Die Eiche gilt als der Baum der ordnenden Kräfte, die Linde als der Baum der heilenden Liebe und schlussendlich die Eibe als Baum der offenen Lebensfragen.
Eine der Wohltaten ist, sobald man unter Bäumen zu Ruhe kommt, die deutliche Reduktion von Stress. Studien haben gezeigt, dass der Aufenthalt in einem Wald oder in der Nähe von Bäumen den Cortisolspiegel im Körper senkt. Das bewusste Verbringen unter diesen verholzten Riesen, sei es durch das monotone Rascheln oder die erzwungene Langweile, hilft vielen Menschen, ihre Gedanken zu ordnen und einen geklärten oder distanzierten Blick zu bekommen. Das friedvolle Ambiente, das Bäume bieten, fördert die Kreativität, da ein entspannter Geist eher in der Lage ist, neue und innovative Ideen zu entwickeln. Interessanterweise hat der Aufenthalt in Wäldern ferner einen direkten Effekt auf unser Immunsystem. Pflanzen, produzieren sogenannte Phytonzide, organische Verbindungen, die schädliche Mikroorganismen abtöten. Wenn wir diese Stoffe einatmen – beispielsweise während einer stillen Meditation unter Baumkronen – stärkt dies unsere körpereigene Abwehr.
Mein Garten bietet von den heiligen Bäumen lediglich die Birke an, dafür kann ich auf die mondenhafte Kraft der Weide zählen. Damit sie mir hold bleibt, verräuchere ich vor meiner Meditation das eine oder andere Kraut oder stelle ein Mondfeuer darunter. Danach begieße die Weide (und ein wenig mich) mit etwas Whiskey, verschiedenen Bitterdrinks oder Milch. Sommerliche und urlaubshafte Entspannung ist das dann pur.
So können wir unseren Urlaub nicht nur zum Erholen, sondern zum inneren Ankommen nutzen. Denn das zentrale Element des Urlaubs und der Ferien ist die stete Suche nach Ausgeglichenheit, Heilung und Erkenntnis und diese äußert sich über die Zeiten hinweg in der tief empfundenen Verbindung zwischen Menschen und Natur.
Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt. Khalil Gibran
Waldbaden und Baummeditation ist nichts für dich?
Über eine Meditation am Wasser liest du im August.
Text zur Verfügung gestellt: Mag.a pharm. Dr. Gabriele Kerber-Baumgartner, www.apotheke-hofwiese.at